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10. Mai 2024
Katharina Lang
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EU-Verordnung verbietet Produkte aus Zwangsarbeit: Das müssen Sie jetzt wissen

Die Folgen der neuen Verordnung sind für Unternehmen primär indirekter Natur, können sich finanziell aber gravierend auswirken. Ein proaktives Risikomanagement ist deshalb unabdingbar.

In Kürze

  • Neue Verordnung verbietet Produktion, Ein- und Ausfuhr von Gütern, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden
  • Keine unmittelbar neuen Pflichten für Unternehmen, zuständige Behörden prüfen Risiken von Zwangsarbeit
  • Auf Anfrage müssen Unternehmen detaillierte Informationen zum Umgang mit Zwangsarbeitsrisiken vorlegen
  • Hohe Bedeutung wirksamer Sorgfaltspflichtprüfungen in allen Branchen und für sämtliche Produktgruppen
  • Annahme durch den Rat der EU noch ausstehend, gilt aber als Formsache

Zwangsarbeit – Eine globale Herausforderung

Rund 28 Millionen Menschen sind laut einem gemeinsamen Bericht der International Labor Organization (ILO), der International Organization for Migration (IOM) und der Menschenrechtsgruppierung Walk Free von Zwangsarbeit betroffen, und die Tendenz ist steigend. Die Europäische Union hat darauf nun mit einer neuen Verordnung reagiert, die Produkte, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden, auf dem EU-Markt verbietet. Diese Maßnahme folgt dem Beispiel der USA. Der „Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA)“ untersagt dort bereits seit 2021 die Einfuhr von Gütern, die mit Zwangsarbeit in der Xinjiang-Region in China in Verbindung stehen.

Die am 22. April 2024 vom EU-Parlament verabschiedete Verordnung, auch bekannt als „Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt“, untersagt auf dem gesamten EU-Markt sowohl die Produktion als auch die Ein- und Ausfuhr von mit Zwangsarbeit hergestellten Gütern. Diese Regelung ist Teil einer zunehmenden Anzahl regulatorischer Vorgaben zum Schutz der Menschenrechte, hebt sich jedoch deutlich von anderen sorgfaltspflichtbezogenen Gesetzgebungen ab, wie der kürzlich erlassenen EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) oder dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Keine neuen Pflichten für Unternehmen

Im Gegensatz zu unternehmensbezogenen Sorgfaltspflichtengesetzen hat die Verordnung zur Verhinderung von Zwangsarbeit einen Produktfokus und erlegt den Unternehmen keine zusätzlichen Pflichten auf. Die Hauptadressaten sind vielmehr EU- und nationale Behörden. Diese müssen sicherstellen, dass mit Zwangsarbeit gefertigte Produkte auf dem EU-Markt weder vertrieben, importiert noch exportiert werden. Die zuständigen Behörden sind dazu angehalten, zunächst das Risiko von Zwangsarbeit in Produkten zu analysieren. Zu diesem Zweck wird die Europäische Kommission ein speziell eingerichtetes Portal, das „EU Forced Labor Single Portal“, bereitstellen. Dieses soll neben Handreichungen und Unterstützungsangeboten insbesondere Informationen über Produkte und Regionen liefern, die ein hohes Risiko für Zwangsarbeit aufweisen.

Basierend auf diesen Informationen sollen die zuständigen Behörden das Risiko von Zwangsarbeit evaluieren. Bei der Feststellung eines potenziellen Risikos sind weitere Untersuchungen seitens der Behörden erforderlich. Diese umfassen unter anderem das Einholen relevanter Informationen von Unternehmen, die entlang der Lieferkette in die Produktion, den Kauf oder Vertrieb der betroffenen Produkte involviert sind.

Informationen zum Umgang mit Menschenrechten sind oftmals entscheidend

Unternehmen sind dazu verpflichtet, den zuständigen Behörden auf Anfrage nähere Angaben insbesondere zu ergriffenen Maßnahmen gegen Zwangsarbeit zu machen. Die Behörden analysieren die eingereichten Informationen und leiten daraus weitere Schritte ab: Wenn ein Unternehmen bereits internationale Richtlinien oder nationale Gesetze umsetzt, die Zwangsarbeit wirksam bekämpfen, verhindern oder beenden, kann dies das identifizierte Risiko in den untersuchten Produkten reduzieren. In solchen Fällen können sich weitere Untersuchungen als überflüssig erweisen.

Sollte ein Unternehmen allerdings keine angemessenen und wirksamen Maßnahmen zur Minimierung des Zwangsarbeitsrisikos in seinem Geschäftsbereich oder in der Lieferkette eines Produktes ergreifen, wird die zuständige Behörde von einem begründeten Verdacht auf Zwangsarbeit ausgehen und weitere Schritte einleiten, wie beispielsweise Interviews oder Vor-Ort-Besuche. Wenn in diesem Zuge festgestellt wird, dass Zwangsarbeit auf einer beliebigen Stufe der Lieferkette eines Produktes vorkommt, wird die Behörde den Verkauf, die Einfuhr in den EU-Markt bzw. die Ausfuhr aus dem EU-Markt verbieten. Betroffene Produkte müssen dann innerhalb einer angemessenen Frist gespendet, recycelt oder vernichtet bzw. unbrauchbar gemacht werden. Der Zugang zum EU-Markt kann erst wieder gewährt werden, sobald ein Unternehmen Zwangsarbeit aus den entsprechenden Lieferketten eliminiert hat.

Der behördliche Prüfungsprozess im Überblick

Die Verordnung sieht im Wesentlichen folgende Schritte vor:

  1. Identifizierung eines hohen Risikos von Zwangsarbeit für ein Produkt oder eine Herkunftsregion durch die zuständige Behörde.
  2. Zuständige Behörde fordert vom Unternehmen mit ermitteltem Produktrisiko Informationen insbesondere zum Umgang mit Sorgfaltspflichten an.

  3. Entscheidung über die Notwendigkeit zusätzlicher Untersuchungen durch die zuständige Behörde.

    – Bei begründetem Verdacht
    : Weitergehende Untersuchung des Verdachtsfalls in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Unternehmen. Entscheidung über die Feststellung eines Verstoßes und ggf. Verbot des Produkts auf dem EU-Markt.

    – Bei mangelnden Hinweisen auf Zwangsarbeit: Keine Einschränkungen für Produktion, Kauf oder Vertrieb des Produkts.

Relevanz von Sorgfaltspflichten nimmt indirekt zu

Auch wenn die Verordnung keine unmittelbar neuen Sorgfaltspflichten für Unternehmen definiert, stärkt sie doch die Bedeutung etablierter Leitfäden und Rahmenwerke internationaler Organisationen wie der OECD oder UN. Zum anderen erhalten gesetzliche Regelungen wie die kommende CSDDD und nationale Vorgaben deutlich mehr Gewicht.

Global agierende Unternehmen müssen nun damit rechnen, dass bestimmte Produkte aufgrund vorherrschender Zwangsarbeit in Lieferketten vom EU-Markt ausgeschlossen werden können. Diese strenge Herangehensweise dürfte die Motivation von Unternehmen weiter stärken, ihren Sorgfaltspflichten in Bezug auf Zwangsarbeit umfassend nachzukommen.

Zentrale Unterschiede zu anderen Regulierungen

Bestehende Sorgfaltspflichtengesetze wie das deutsche LkSG fordern von Unternehmen lediglich eine Bemühenspflicht bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten. Sofern Unternehmen nachweisen können, dass sie ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten angemessen umgesetzt haben, können sie nicht für Menschenrechtsverletzungen im Sinne des Gesetzes haftbar gemacht werden. Die neue EU-Verordnung zur Zwangsarbeit führt jedoch Sanktionen für Menschenrechtsverletzungen ein, indem sie Unternehmen, deren Produkte mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen, letztlich die Geschäftsgrundlage entzieht.

Die Verordnung erweitert den Geltungsbereich im Vergleich zu herkömmlichen Sorgfaltspflichtengesetzen erheblich, indem sie alle Produkte sowie sämtliche Branchen ins Visier nimmt. Dadurch können Sanktionen nun auch Unternehmen aus Drittstaaten betreffen, wenn diese auf dem EU-Markt tätig sind oder für den EU-Markt produzieren.  

Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit dürfte dazu führen, dass das Thema weltweit verstärkt in den Fokus des ESG-Risikomanagements von Unternehmen rückt und könnte der stetigen Zunahme von Zwangsarbeit global entgegenwirken.

Weitere Schritte im Gesetzgebungsverfahren

Die Verordnung muss vom Rat der EU noch formell angenommen werden, bevor sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden kann und dann 20 Tage später in Kraft tritt. Nach einer dreijährigen Umsetzungsphase findet das Gesetz voraussichtlich zum ersten Mal im Jahr 2027 Anwendung.  

Bis dahin gibt es noch einiges zu tun: Das bereits erwähnte „EU Forced Labor Single Portal“ muss zunächst eingerichtet werden, um die neuen Regeln durchzusetzen. Es soll insbesondere Richtlinien, eine Risikodatenbank, Informationen über Produktverbote sowie ein Portal für Hinweisgeber umfassen. Außerdem soll ein EU-Netzwerk gegen Produkte aus Zwangsarbeit – das „Union Network Against Forced Labor Products“ – etabliert werden, um die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu verbessern. Auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und Nichtregierungsorganisationen soll durch entsprechende Maßnahmen gestärkt werden, um Kräfte im Kampf gegen Zwangsarbeit zu bündeln. In der EU tätige Unternehmen sollten die Zeit nutzen, um ein effizientes Risikomanagement bezüglich Zwangsarbeit im eigenen Geschäftsbetrieb und in Lieferketten zu verankern.

Wie wir Sie unterstützen können

Wir stehen Unternehmen bereits seit vielen Jahren bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umweltstandards zur Seite. Viele unserer Kunden managen ihre Risiken im Bereich der Zwangsarbeit schon heute mit Hilfe unserer Plattform, beispielsweise im Rahmen des LkSG, und sind somit auch für künftige EU-Vorgaben gut gerüstet.  

Hierbei vertrauen sie insbesondere in den folgenden Bereichen auf unsere Expertise:

  • Automatisierte Bewertung der Länder- und Industrierisiken für Zwangsarbeit im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette
  • Effiziente Einholung von Informationen über die Umsetzung von Maßnahmen gegen Zwangsarbeit bei unmittelbaren und mittelbaren Lieferanten
  • Automatisiertes Risikomanagement mit Unterstützung bei der Priorisierung von Risiken und Lieferanten
  • Dokumentation, Kommunikation und Nachverfolgung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Lieferanten zur verbesserten Risikominderung
  • Effektives Beschwerdesystem
  • Berichterstellung im Einklang mit Standards wie den europäischen ESRS oder GRI
  • Nahtlose Integration der Daten in alle gängigen IT-Systeme

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